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Die Medien-Minenarbeiter des 21. Jahrhunderts suchen neue Energiequellen

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Wenn man die Zeitungsbranche betrachtet, hat man manchmal das Gefühl, angehende Journalisten seien die Medien-Minenarbeiter des 21. Jahrhunderts. Man wird mit viel Mühe ausgebildet, Texte zu produzieren – Kohle aus dem Gestein Westfalens zu schlagen – aber die Zukunft der schreibenden Zunft wurde in einer kürzlich veröffentlichen  Umfrage als die Allerschlechteste angesehen – noch schlechter als die Zukunftsaussichten von Holzfällern und Berufssoldaten. Ähnlich wie ein Junge aus dem Ruhrpott, der in Zeiten günstiger Kohle aus China und neuer Energiequellen in die subventionierte Grube geht, kommt sich der angehende Journalist also nicht selten vor wie ein Exemplar einer aussterbenden Art.

Es gibt zwar immer noch rund 32.000 Printmedien in Deutschland, bei denen Journalisten Geld verdienen können. Darunter sind aber alleine etwa 15.000 sogenannte Corporate-Publishing-Titel, also zum Beispiel Hochglanzmagazine des ZDF Morgenmagazins oder auch das „mobil“-Blatt der Deutschen Bahn – von reichen Unternehmen gesponserte Prestigeblätter, die ohne die finanzkräftige Unterstützung ihrer Firmen-Mäzene kaum existieren könnten. Tageszeitungen machen nur drei Prozent dieses Volumens aus und diesen drei Prozent geht es bekanntermaßen mies. Noch halten sich viele Verlage mit zum Teil – über die Jahre – drastisch erhöhten Preisen über Wasser. Aber wie lange noch? Eine Umkehr der negativen Auflagenentwicklung fast aller mit Nachrichten bestückten Blätter scheint illusorisch.

Die Rettung suchen viele Verlagsmanager im Netz. So gab es im Juli dieses Jahres bei rund 1400 Onlinemedien in Deutschland 5,25 Milliarden Visits, während es im August 2012 noch 5,02 Milliarden waren. Die Menschen konsumieren also journalistische Texte mehr denn je. Fast jeder hat ein Smartphone, fast jeder ist immer online und liest. So birgt Text gegenüber Videoformaten immer noch den Vorteil, dass der Leser Informationen in einem individuellen Tempo und präzise erfassen kann. Dennoch scheinen bisher die Einzigen, die von diesem Riesenmarkt wirklich profitieren, die Hersteller der Lesegeräte und die Internetfirmen zu sein: Apple, Google, Samsung. Der Teil des Milliardenkuchens, der für die Produzenten des Contents abfällt, jenem Content, der die Lesegeräte und die Google-Suchergebnisse mit Leben füllen soll, ist noch äußerst gering.

Ein gutes Bespiel dafür mag „Ruhrbarone.de“ sein, ein Blog, der unter den politischen Blogs in Deutschland zu den fünf am meisten gelesenen gehört und unter den rund 150.000 deutschen Blogs immer unter den ersten 20 bis 30 rangiert. Hier gibt es oft pointierte, „schnell geschossene“ Stücke, wie sie die Netzgemeinde liebt, etwa witzige Polemiken über Öko-Lehrer in Berlin, die ihrer polnischen Putzfrau gekündigt haben, weil sie kein Biowaschmittel benutzt hat. Die Artikel der Ruhrbarone werden bei Facebook dann auch mitunter öfter geteilt als die der renommierten Konkurrenz der großen Verlagshäuser. Aber was fällt dabei für die Schreiber ab? Kann so ein im Internet gewachsener, journalistischer vielbeachteter Blog durch Werbeeinnahmen rentabel sein?

„Wir verdienen so viel Geld, dass wir davon eine Party im Jahr machen können“, sagt Stefan Laurin, einer der Macher des Blogs, ernüchternd. Auf der Gewinnseite lagen letztes Jahr ganze 400 Euro, nachdem die Serverkosten bezahlt waren. Und die pekuniären Zukunftschancen sieht er skeptisch. Wenn irgendwann die drei bis vier aktivsten Schreiber damit ein paar Hundert Euro im Monat verdienen könnten, wäre das schon ein großer Erfolg, so Laurin.

Viele renommierte Verlage versuchen es jetzt mit Bezahlmodellen, Laurin hofft, dass sich diese Modelle durchsetzen. „Sonst wird es keine aufwändigen Recherchen mehr geben“, sagt er. Das Medium, ob Online oder Papier, sei dabei im Endeffekt egal, am Ende müssten die Leute bereit sein, für die journalistische Arbeit Geld auszugeben. Aber ob genügend User bereit sein werden, freiwillig Geld für Nachrichten und Geschichten zu bezahlen, die sie  im Internet legal umsonst bekommen, ist eine der Schicksalsfragen des Online-Journalismus. Dabei sind viele User nicht einmal bereit, für raffinierte und mit Riesenaufwand produzierte Filme und US-Serien auch nur einen Euro zu zahlen und schauen sie lieber illegal im Netz.

Laurin bringt die Stimmungslage auf den Punkt, wenn er sagt: „Leute, die nie im Leben eine Tafel Schokolade im Supermarkt einstecken würden, haben keinerlei Gewissensbisse, das online mit Filmen, Musik oder Büchern zu machen.“ Es fehlt das Unrechtsbewusstsein, vielleicht auch die Durchsetzung dazugehöriger Strafen. Immerhin mit freiwilligen Spenden haben die Ruhrbarone gute Erfahrungen gemacht. So gibt es private Spender, die freiwillig 30 Euro im Monat bezahlen, um die Ruhrbarone zu unterstützen, und viele Kleinstspender, die 1,50 Euro im Monat zahlen.

Der Medienwissenschaftler Stephan Weichert, der in Hamburg Journalismus lehrt, sieht ebenfalls in Spenden eine mögliche Finanzierungsquelle. Aber er geht weiter, wenn er von einer Art „Journalismus-Steuer“ spricht. „Journalismus kann ähnlich wie die öffentlich-rechtlichen Sender auch als Dienst an der Gesellschaft betrachtet werden. Wenn in zehn Jahren nur noch 60 Prozent des Journalismus am Markt finanziert werden können, müssen für die restlichen 40 Prozent Alternativen gefunden werden. So könnte es dann auch öffentlich-rechtliche Onlineangebote geben, sagt Weichert. So eine „Journalismus-Steuer“ könnte dann mit der „Haushaltsabgabe“ eingerechnet werden, die schon jetzt alle Haushalte laut Gesetz für die Öffentlich-Rechtlichen zahlen müssen.

Die Paywall-Modelle von bild.de und welt.de betrachtet der Medienwissenschaftler als einen guten Anfang. „Mein Eindruck ist aber, dass es bei weitem nicht reichen wird, dass sich die Modelle nicht in zwei, drei Jahren amortisiert haben werden. Die Gesellschaft muss langsam umerzogen werden. Alle haben sich daran gewöhnt, dass alles im Internet umsonst zu bekommen ist.“

Dabei sieht Weichert auch die Verlage in der Pflicht. „Viele Verlage verabschieden sich vom Journalismus und betreiben Jobbörsen und Datingportale. Andere kippen einfach den Text aus den Zeitungen ins Netz. Das reicht nicht. Sie bekommen Nutzer nur dazu, etwas zu bezahlen, wenn Sie technisch ganz weit vorne sind. Da muss man erst mal viel Geld in die Hand nehmen, um etwa Datenjournalismus und multimediales Storytelling auszubauen.“

Trotz aller Probleme glaubt Stephan Weichert immer noch an die Zukunft des Journalismus, wie auch Wolfgang Kiesel, der angehende Journalistenschüler fast aller bedeutenden Schulen in Deutschland auf dem Weg in den Job berät. Kiesel, ein alter Kämpe im Geschäft, der sich als Freier Journalist auf Schifffahrtsjournalismus spezialisiert hat, sagt: „Das journalistische Arbeitsvolumen wird von Monat zu Monat größer. Allein Gruner + Jahr will jetzt 120 neue Online-Journalisten einstellen. Es ist immer noch ein wunderbarer Beruf.“

Demnach gibt es vielleicht Hoffnung für die Medien-Minenarbeiter des 21. Jahrhunderts. Sie müssen aber lernen, die Möglichkeiten der digitalen Welt auch sinnvoll zu nutzen.


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